der Presseartikel als Text
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Schwere Vorwürfe einer Familie aus Hörstel:
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Jagt dieSteuerfahndung einen Todkranken?
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Die Vorwürfe klingen ungeheuerlich: Das Finanzamt Ibbenbüren soll, um Steuerschulden einzutreiben, Ansprüche gegen eine Krankenkasse gepfändet haben. Mit dem Geld wollte ein Sterbenskranker seine Medikamente kaufen. Das zumindest behauptet die Hörsteler Familie des Mannes. Alfons B., Geschäftsmann aus Togo und gebürtiger Hörsteler, ist in das Visier der Steuerfahndung geraten. Er soll nach Angaben seines Rechtsanwaltes für die Jahre von 1993 bis 2005 dem Finanzamt rund 1.5 Millionen Euro Steuern zahlen. Das Finanzamt stochere im Dunklen, habe die Steuerforderungen auf Vermutungen, Schätzungen und nicht bewiesene Indizien aufgebaut und habe vor allem seinen Mandanten nicht einmal ausreichend angehört. So der Anwalt von Alfons B., Markus Wewer aus Münster. Deshalb hat Wewer beim Finanzgericht Münster Klage gegen die Steuerbescheide erhoben.
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Aus Angst vor Verhaftung auf Lebertransplantation verzichtet!
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Der dem ANZEIGER vorliegende 89 Seiten starke „Bericht vom 24. Februar 2005 über die steuerlichen Feststellungen" des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster liest sich wie ein Geheimdienst-Dossier. Akribisch sind Handyrechnungen und -Gespräche, Auszüge aus handschriftlichen Kladden, Kontobestände über Jahre hinweg, Buchungen und Umbuchungen, Anweisungen über Aktien-Transfers an ein Bankinstitut, Waren-Aus-fuhrbescheinigungen, Quittungen über Pkw-Käufe und -verkäufe und sogar private Haushaltsbücher aufgelistet und ausgewertet.
Material, das die Steuerfahndung in einer Wohnung im ehemaligen Elternhaus in Hörstel beschlagnahmt habe. Alfons B. (49) wohnt laut Auskunft seiner Schwester Margarete B. seit 1975 im afrikanischen Togo. Dort war er auch mit einer Togolesin verheiratet, seine beiden Kinder sind in Togo aufgewachsen und gehen dort zur Schule. In dem westafrikanischen Staat habe er ein Im- und Exportgeschäft, kaufe und verkaufe zum Beispiel Autos, sei aktiv im Devisenhandel, manage Umzüge für Botschaftspersonal.
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Steuern in Togo und Deutschland?
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Offenbar im Zusammenhang mit dem Geldwäsche-Gesetz war Alfons B. den Finanzbehörden aufgefallen, einige Konten wurden nämlich auch bei einem hiesigen Institut geführt. Banken müssen größere Transaktionen ihrer Kunden melden. Für die Steuerfahnder und das Finanzamt ist klar: Alfons B. ist in Deutschland einkommenssteuerpflichtig. Er habe nämlich einen Wohnsitz in Deutschland. Auch „unregelmäßige Aufenthalte in einer Wohnung können zur
Aufrechterhaltung eines Wohnsitzes führen. Ein inländischer Wohnsitz führt auch dann zur unbeschränkten Steuerpflicht, wenn er nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen darstellt" - meint zumindest die Steuerfahndung. Das allerdings sei in der Rechtssprechung nach wie vor umstritten, so Wewer.
Denn für den fraglichen Zeitraum gebe es Urteile, nach der der Mittelpunkt der Lebensinteressen sehr wohl maßgeblich sei. Hinzu komme, dass das Finanzamt Alfons B. einen Vorsatz, also kriminelle Energie, unterstellt habe. Wewer „dabei wurde mein Mandant über sämtliche Jahre hinweg durch einen Steuerberater vertreten. Wie soll er vorsätzlich Steuern einbehalten, wenn es selbst höchst richterlich umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen ein inländischer Wohnsitz zu bejahen ist?" Zudem sei die erwähnte Wohnung ein schimmeliger Kellerraum ohne Badezimmer und Küche und sei von Alfons B. nur für einige wenige Übernachtungen während Geschäftsaufenthalten im Inland genutzt worden. Nur in den Jahren 2001 und 2002 habe sich B. länger in Deutschland aufgehalten, um seine lebensbedrohliche Erkrankung von deutschen Ärzten behandeln zu lassen. In den anderen Jahren sei B. nur beschränkt steuerpflichtig gewesen und habe seine Einkünfte auch erklärt. Ansonsten lebe und arbeite er in Togo und versteuere auch dort seine Einnahmen.
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Angst vor Verhaftung
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Vor allem zwei Dinge sind es, die Anwalt Wewer und Schwester Margarete empören: Das Finanzamt habe auf der Suche nach den vermeintlich entgangenen Steuern sogar Ansprüche gegen eine Krankenkasse gepfändet. Mit dem Geld sollten teure und lebensnotwendige Medikamente bezahlt werden. Alfons B. leidet unter einer lebensbedrohenden Krankheit. Margarete B.: „Die ganze Geschichte hat sogar dazu geführt, dass mein Bruder eine für den Juni 2005 geplante Lebertransplantation abgesagt hat, aus Angst, noch auf dem Flugplatz verhaftet zu werden!" Auch die Staatsanwaltschaft Münster habe es im vergangenen Jahr noch zwei Tage vor Weihnachten abgelehnt, Alfons B. für die dringend erforderlichen Arztbesuche freies Geleit zu gewähren. Die Kosten für die Arzneien hat inzwischen die Familie übernommen, mittlerweile mehr als 20.000 Euro.
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Finanzgericht muss entscheiden
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Und weder Alfons B. noch seinem Rechtsbeistand sei Gelegenheit gegeben worden, im Detail auf die Vorwürfe einzugehen. Das wird demnächst das Finanzgericht tun. Das Finanzamt Ibbenbüren war unter Hinweis auf das Steuergeheimnis zu keinerlei Stellungnahme bereit.
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